Ich habe lange gedacht, Tarotkarten zeigen einfach Situationen oder Stimmungen. Erst als ich angefangen habe, mich mit der Reihenfolge der Großen Arkana zu beschäftigen, hat sich etwas verändert. Ich habe verstanden, dass sie keine zufällige Sammlung von Symbolen sind, sondern eine Art Landkarte für persönliche Entwicklung. Und plötzlich war da dieses Gefühl: Diese 22 Karten erzählen meine Geschichte. Und wahrscheinlich auch deine.
Die Reise beginnt mit dem Narren. Er steht da, ohne Plan, aber mit Vertrauen. Er erinnert mich an all die Momente, in denen ich losgegangen bin, obwohl ich keine Ahnung hatte, was mich erwartet – aber wusste, dass ich gehen muss. Der Magier folgt, und mit ihm das Bewusstsein, dass ich gestalten kann, dass ich Macht habe. Gleichzeitig mahnt die Hohepriesterin, dass nicht alles über Kontrolle läuft – dass Intuition genauso wichtig ist wie Tun. Dann kommen die Herrscherin und der Herrscher: Empfangen und Struktur, Kreativität und Verantwortung. Beides braucht es. Der Hierophant bringt den Moment, in dem ich beginne zu fragen, was ich eigentlich glaube – und ob das wirklich meines ist. Und bei den Liebenden spüre ich jedes Mal diesen inneren Riss zwischen Anpassung und Eigenständigkeit. Entscheidungen, die den Kurs verändern.
Ab hier wird es ernster. Der Wagen erinnert mich an Phasen, in denen ich geglaubt habe, alles im Griff zu haben – bis das Leben mich eines Besseren belehrt hat. Gerechtigkeit ist der Spiegel, den ich manchmal ungern anschaue, weil er ehrlich ist. Der Eremit führt dorthin, wo ich nicht mehr ausweichen kann: nach innen. Das Rad des Schicksals macht klar, dass Kontrolle nur bedingt funktioniert. Und dann kommen die Karten, die weh tun – der Gehängte, der Tod. Sie bringen Stillstand, Abschied, Loslassen. Aber gerade dort, wo etwas endet, entsteht eine neue Richtung. Mäßigkeit taucht auf, wenn Chaos sich langsam legt und ich beginne zu verstehen, dass alles miteinander verbunden ist.
Im letzten Teil dieser Reise geht es um Reife. Der Teufel hält mir vor Augen, wo ich mich selbst festhalte – an Menschen, Mustern, Erwartungen. Der Turm ist der Moment, in dem alles fällt, was nicht mehr trägt. Schmerzhaft, aber ehrlich. Danach der Stern: still, klar, ein Aufatmen. Der Mond bringt Zweifel und Verwirrung, doch ohne ihn gäbe es die Sonne nicht – diesen Moment von Klarheit, von innerem Frieden. Das Gericht ruft zur Selbstannahme auf, zur Verantwortung für das eigene Leben. Und dann steht die Welt da – vollständig, aber nicht abgeschlossen. Denn mit ihr beginnt die nächste Runde.
Ich sehe diese Reihenfolge nicht als Theorie. Sie ist spürbar. Ich erkenne mich in bestimmten Karten wieder, je nachdem, wo ich im Leben stehe. Wenn ich zweifle, ziehe ich oft den Eremiten. Wenn alles wackelt, kommt der Turm. Wenn ich beginne, Vertrauen zu fassen, taucht der Stern auf.
Die Heldenreise im Tarot ist kein fremdes Konzept, sondern etwas, das jeder Mensch auf seine Weise erlebt. Sie beschreibt, wie wir wachsen – nicht durch Perfektion, sondern durch Erfahrungen. Jede Karte ist eine Einladung, dich selbst ein Stück besser zu verstehen. Vielleicht erkennst du dich in einer wieder. Vielleicht merkst du, dass du schon mitten in deiner eigenen Reise bist. Und genau das macht es so faszinierend, sich damit zu beschäftigen: Du liest nicht über irgendwen. Du liest über dich.